Strompreiszuschuss - Gesamtzusage
Urteil Arbeitsgericht Frankfurt Main v. 26.06.2007 8 CA 8343/06
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den monatlichen Strompreisforderungen für seine Wohnung für einen Bedarf von 300 kWh und den darüber hinaus gehenden Mehrbedarf entsprechend dem
Nachtstromtarif ab 01.01.2007 freizustellen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtstreites zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf EUR 1.800,00 festgesetzt.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Einstellung des sogenannten “Stromdeputats“ zum 31. Dezember 2006, das die Beklagte ihren Beschäftigten und Rentnern sowie deren Hinterbliebenen gewährte.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 05. April 1971 beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein schriftlicher Arbeitsvertrag zu Grunde. Im Arbeitsvertrag heißt es unter § 2:
“Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Bestimmungen
a) des Bundesrnanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G)
b) der Hessischen BezjrkszusatztarifVerträge
c) des Lohntarifs für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe im Lande Hessen (HLT)
in der jeweils gültigen Fassung.
Künftige Änderungen dieser Bestimmungen oder an ihre Stelle tretende Vorschriften oder Tarifverträge gelten vom Tage des lnkrafttretens an auch für das vorliegende Arbeitsverhältnis. Daneben
finden die für die Stadtwerke geltenden sonstigen Tarifverträge und Dienstvereinbarungen in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung.“
Die Beklagte beschäftigt gegenwärtig ca. 2.190 Arbeitnehmer. Zusätzlich bestehen ca. 1.450 Ruhestandsverhältflisse zu ehemaligen Arbeitnehmern.
Alleinige Gesellschafterin der Beklagten ist die Stadtwerke (ehemals unter Stadtwerke firmierend). Alleinige Gesellschafterin der Stadtwerke ist die Stadt. Die Beklagte sowie deren
Rechtsvorgänger sind stets Mitglieder des Hessischen Kommunalen Arbeitgeberverbande S gewesen. Bis 1967 führte die Stadt u.a. einen Eigenbetrieb Stadtwerke (mit den Bereichen Strom, Fernwärme und
Wasser) und einen Eigenbetrieb Straßenbahn (Schienen- und Busverkehr).
Auf Grund eines Magistratsbeschlusses aus dem Jahre 1953 gewährte die
Stadt den Arbeitnehmern des damaligen Eigenbetriebes Stadtwerke Strompreisvergünstigungen in der Weise, dass Strom zum Nachtstromtarif berechnet wurde.
1967 wurden diese beiden Eigenbetriebe zu einem Eigenbetrieb Stadtwerke zusammengefasst.
Am 09. März 1970 fasste der Magistrat der Stadt Frankfurt einen Beschluss mit auszugsweise folgendem Wortlaut:
“Betr.: Verbesserung der sozialen Leistungen für die Mitarbeiter der Stadtwerke
1. Mit Wirkung vom 1.4.1970 werden den Mitarbeitern der Stadtwerke folgende Sozialleistungen gewährt:
1...]
1.2 Die bisher den Mitarbeitern des ehemaligen Eigenbetriebs Stadtwerke (Strom, Fernwärme, Wasser) gewährten Strompreisvergünstigungen erhalten auch die Mitarbeiter des ehemaligen Eigenbetriebs
Straßenbahn, wobei in Erweiterung dieser Sozialleistung allen Mitarbeitern je Haushalt zusätzlich 300 kWh monatlich bzw. 3.600 kWh jährlich arbeitspreisfrei zu gewähren sind.
Am 17. März 1970 erschien im Nachrichtenblatt der Betriebsleitung der Stadtwerke unter dem Betreff “Verbesserung der freiwilligen Sozialleistungen für die Mitarbeiter der Stadtwerke “ eine
Mitteilung über die Beschlussfassungen:
“1. Mit Zustimmung der städtischen Beschlußkörperschaften werden den Mitarbeitern der Stadtwerke mit Wirkung vom 1.4.1970 folgende Sozialleistungen gewährt:
1.2 Die bisher den Mitarbeitern des ehemaligen Eigenbetriebs Stadtwerke (Strom, Fernwärme, Wasser) gewährten Strompreisvergünstigungenl erhalten auch die Mitarbeiter des ehemaligen Eigenbetriebs
Straßenbahn, wobei in Erweiterung dieser Sozialleistung allen Mitarbeitern je Haushalt zusätzlich 300 kWh monatlich bzw. 3.600 kWh jährlich arbeitspreisfrei zu gewährt werden. Die Vergünstigung
besteht dementsprechend in der Gewährung eines arbeitspreisfreien Bezuges von 300 kWh monatlich bzw. 3.600 kWh jährlich ohne Berechnung des Grundpreises. Der darüber hinausgehende Mehrverbrauch
wird zum jeweils gültigen Nachtstromtarif in Höhe von z.Zt. 0,046 DM/kWh netto berechnet.
In einer weiteren Mitteilung machte die Betriebsleitung der Stadtwerke im Nachrichtenblatt vom 16. Juni 1970 bekannt, dass auch den
Pensionären des ehemaligen Eigenbetriebs Straßenbahn sowie deren Witwen diese Strompreisvergünstigungen gewährt würden.
Voraussetzung war u.a., dass der Pensionär (oder der verstorbene Ehemann der Witwe) mindestens zehn Jahre ununterbrochen bei den Stadtwerken bzw. der Straßenbahn beschäftigt war.
Am 15. September 1995 wurde der Eigenbetrieb Stadtwerke im Wege der Ausgliederung in die Stadtwerke (heute unter Stadtwerke
firmierend) umgewandelt. In Vorbereitung darauf schloss die Stadt mit der Gewerkschaft ÖTV unter dem 10. März 1995 eine Vereinbarung, in der es u.a. heißt:
“Die aus den Stadtwerken entstehenden Gesellschaften garantieren allen Beschäftigten des ehemaligen Eigenbetriebes die Weitergeltung der bisherigen tarifvertraglichen, sowie die in Anlage 1
aufgeführten außer- und übertariflichen Regelungen bei den Stadtwerken, sollte der Arbeitgeberverband gewechselt oder verlassen werden, bis zum 31.12.1998.“
Die in Bezug genommene Anlage 1 dieser Vereinbarung führt unter IV. die “Besitzstände (freiwillige Sozialleistungen)“ auf und dort unter IV.1. die “Strompreisvergü nstigung einschl. Barerstattung
für Auswärtswoh nende (Stadtverord. Beschluß § 960 v. 5.11.53 sowie div. MagistratsbeschlüSse, zuletzt MB Nr. 418 v. 9.3.70)“.
Am 17. November 1995 schlossen die Stadt und die Stadtwerke einen Personalüberleitungsvertrag, in dem es u.a. heißt:
§ 2
Eintritt in die Arbeits- und Ausbildungsverträge sowie sonstige Regelungen
1...]
(5) Die Gesellschaft verpflichtet sich, bisherige Regelungen zugunsten der Betriebsangehörigen weiter anzuwenden, insbesondere alle bisherigen “Über und außertariflichen Regelungen sowie
Besitzstände bei den SWF“ gemäß Anlage 1 zur Vereinbarung vom 10.03.1995 weiter zu gewähren. Hierdurch wird kein über das bisherige Maß hinausgehender Rechtsanspruch der Beschäftigten begründet.
Im übrigen gilt die Regelung des Absatzes 3 der Ziffer 1.1. der Vereinbarung vom 10.03.1995.“
[..
Mit Wirkung vom 01. Januar 1996 gliederte die Stadtwerke ihren gesamten Verkehrsbereich auf die Beklagte aus. In diesem Personalüberleitungvertrag vom 12. September 1996 findet sich eine
§ 2 Abs. 5 des PersonalüberIeitungsvertrages vom 17. November 1995 entsprechende Regelung.
Mit Wirkung vom 01. Januar 1998 gliederte die Stadtwerke den Versorgungsbereich (Strom, Fernwärme und Wasser) auf aus.
Mit Schreiben vom 09. November 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie die Strompreisvergünstigungen/-erstattungen, die bislang auf freiwilliger Basis gewährt worden seien, nur noch bis
zum 31. Dezember 2006 fortführen werde und dass die Leistung ab dem 01. Januar 2007 entfallen werde.
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Einstellung der Strompreiserstattung unwirksam sei. Es bestehe ein individualvertraglicher Anspruch aus einer Gesamtzusage der Beklagten, die auf den
entsprechenden Magistratsbeschlüssen beruhe und einer betrieblichen Übung.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den monatlichen Strompreisforderungen für einen Bedarf von 300 kWh und den darüber hinaus gehenden Mehrbedarf bis zu 300 kWh pro Monat entsprechend dem
Nachtstromtarif ab 01.01.2007 freizustellen,
hilfsweise,
festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, den vergünstigten Strombezug (monatlich 300 kWh und darüber hinaus weitere 300 kWh entsprechend dem Nachtstromtarif) gemäß Schreiben der
Beklagten vom 09.11.2006 zum 31.12.2006 einzustellen und verpflichtet ist den Kläger über den 31.12.2006 hinaus von den monatlichen Strompreiskosten für den Bedarf von 300 kWh und den darüber
hinaus gehenden Bedarf von bis zu 300 kWh entsprechend den Kosten zum Nachtstromtarif ab 01.01.2007 freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass einer Gesamtzusage oder einer betrieblichen Übung die Schriftformklausel des § 4 Abs.2 BAT bzw. BMT-G entgegenstehe, da es sich bei der streitgegenständlichen Leistung
um eine Nebenabrede im Sinne dieser Vorschriften handele. Außerdem stehe die Leistung unter einem Freiwilligkeitsvorbehalt, was sich aus dem Deckblatt und der maßgeblichen Betreifzeile im
Nachrichtenblatt ergebe, denn dort sei darauf hingewiesen, dass es sich um freiwillige Sozialleistungen handele. Schließlich könne sich die Beklagte auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage
berufen. Durch Einführung von Wettbewerb im Personennahverkehr sei die Beklagte mit gegenwärtiger Kostenstruktu r im Ausschreibungswettbewerb chancenlos. Wegen dieser Veränderungen der
rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sei es der Beklagten nicht mehr zuzumuten die Stromvergünstigung zu gewähren.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen. sowie auf das das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26. Juni 2007 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist zulässig und begründet. Die klägerische Partei hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Weitergewährung des Stromdeputats.
1. Die Klage ist zulässig. Die Änderung der Klageanträge war gemäß § 263 ZPO sachdienlich, der gestellte Leistungsantrag ist hinreichend bestimmt gemäß § 253 Abs.2 Nr.2 ZPO und teilweise
Klagerücknahme bedurfte keine Zustimmung der Beklagten.
a) Soweit der Kläger seine zunächst angekündigten Klageanträge auf Feststellung der Unwirksamkeit der Teilkündigung vom 09. November 2006 und Feststellung zur weiteren Leistungsverpflichtung der
Beklagten nicht mehr weiter verfolgt, sondern andere Klageanträge gestellt hat, liegt darin eine gemäß § 46 Abs.2 ArbGG 1. V. m. § 263 ZPO sachdienliche Klageänderung.
b) Der Leistungsantrag des Klägers ist auch hinreichend bestimmt. Von einem hinreichend bestimmten Klageantrag im Sinne des § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist dann auszugehen,
wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis abgrenzt (§ 308 ZPO), den Inhalt und den Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten
Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen läßt und das Risiko des Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt (BAG Urteil v. 10. Dezember 1991 - ‚9 AZR
319/90, AP Nr. 20 zu § 253 ZPO). Geht es um die Freistellung von einer auf Geldleistung gerichteten Verbindlichkeit, so setzt der Freistellungsantrag die bestimmte Angabe von Grund und Höhe der
Schuld voraus, von der freigestellt zu werden der Kläger begehrt. Entsprechend bestimmt muß der Klageantrag auch dann sein, wenn Befreiung von einer auf eine andere Handlung gerichteten
Verbindlichkeit gefordert wird; auch diese muß im Klageantrag so genau und umfassend beschrieben werden, daß - sollte die Klage Erfolg haben - auf der Grundlage dieser Verurteilung ohne weiteres
eine Zwangsvollstreckung nach § 62 Abs.2 ArbGG i.V.m. § 887 ZPO möglich ist (BGH Urteil v. 04. Juni 1996 - VI ZR 123/95, NJW 1996, 2725, 2726 mwN). Diesen Anforderungen genügt der zuletzt als
Leistungsklage formulierte Hauptantrag des Klägers. Grund und Höhe der Leistung von der die Beklagte den Kläger freistellen soll sind mit den Strompreisforderungen für einen Bedarf von 300 kW/h
monatlich nebst darüber hinausgehendem Mehrbedarf zum jeweiligen Nachtstromtarif konkret angegeben. Als auf zukünftige Leistungen gerichteter Antrag genügt er auch § 46 Abs.2 ArbGG i.V.m. § 258
ZPO. Die bloße noch nicht konkretisierbare Möglichkeit zukünftiger Einwendungen des Schuldners (hier etwa das Ende des Arbeitsverhältnisses oder eine Änderung der Rechtsgrundlage zu Ungunsten des
Klägers) stehen dem Verfahren nach § 258 ZPO nicht entgegen.. Später entstehende Einwendungen sind nach § 767 ZPO geltend zu machen (Zöller/Greger, ZPO, § 258 Rz Ib mwN).
2. Die Klage ist begründet. Die klägerische Partei kann ihren Anspruch auf eine entsprechende Gesamtzusage der Stadt ‚ der Rechtsvorgängerin der Beklagten, stützen.
a) Eine Gesamtzusage ist die an alle Arbeitnehmer in allgemeiner Form gerichtete Erklärung des Arbeitgebers, zusätzliche Leistungen zu erbringen (BAG Urteil v. 24. Oktober 2006 - 9 AZR
681/05, AP Nr.262 zu § 611 BGB Gratifikation; Erfurter Kommentar/Preis, § 611 BGB Rn 259 mwN). Sie schafft eine allgemeine Ordnung, die für alle von ihr erfassten Arbeitnehmer einheitlich zu
beurteilen ist. Die Arbeitnehmer erwerben einen einzelvertraglichen Anspruch auf die versprochenen Leistungen, wenn sie die vom Arbeitgeber genannten Anspruchsvoraussetzungen erfüllen (BAG Urteil
v. 10. Dezember 2002- 3 AZR 671/01, AP Nr. 252 zu § 611 BGB Gratifikation). Das in der Gesamtzusage liegende Angebot, dessen ausdrückliche Annahme gem. § 151 BGB entbehrlich ist, wird ergänzender
Inhalt des Arbeitsvertrages (BAG Urteil v. 18. März 2003 - 3 AZR 101/02, AP Nr.4 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung). Ob eine Gesamtzusage vorliegt und welchen Inhalt sie hat, richtet sich gem. §
133, 157 BGB nach den für Willenserklärungen geltenden Regeln (BAG Urteil v. 15. Februar2005 -9 AZR 116/04, AP Nr.15 zu § 612a BGB).
b) Die Bekanntmachung des Beschlusses des Magistrats vom 7. Dezember 1990 in den “Nachrichten für die Stadtverwaltung“ vom 15. Januar 1991 stellte ein bindendes Angebot der Beklagten auf
Gewährung der Strompreisvergünstigung dar, denn es wurde eine bestimmte Leistung in einer bestimmten Höhe zugesagt. Es dem Wortlaut ergibt sich, dass hier eine Sozialleistung gewährt werden
sollte, was von den Arbeitnehmern nur als Begründung eines entsprechenden Rechtsanspruches verstanden werden konnte.. Einer besonderen Annahmeerklärung des Klägers bedurfte es nicht. Im
Dienstverkehr öffentlicher Verwaltungen und Betriebe ist es nicht üblich, daß ein Angestellter eine ihn begünstigende Erklärung des Dienstherrn eigens annimmt (BAG Urteil vom 12. Juni 1957 - 4
AZR 5/55 - AP Nr. 24 zu § 242 BGB Ruhegehalt).
c) Die Zusage bedurfte nicht als Nebenabrede nach § 4 Abs. 2 BMT-G der Schriftform. Während die in § 4 Abs. 1 BAT geregelte Schriftforrn nur deklaratorischen Charakter hat, kommt der Schriftform
im Anwendungsbereich des § 4 Abs. 2 BMT-G konstitutive Bedeutung zu (z.B. BAG Urteil v. 07. Mai 1986 - 4 AZR 556/83, AP Nr. 12 zu § 4 BAT). Dies gilt hier trotz fehlender Tarifbindung des
Klägers, da die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede zu verstehen ist, was wiederum zur Folge hat, dass die Schriftform nicht durch formlose Abrede abbedungen werden
kann (BAG Urteil v. 27. März 1987 - 7 AZR 527/85, AP Nr. 29 zu § 242 BGB Betriebliche Übung).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Vierten Senats des Bundesarbeitsgerichts bezieht sich der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 BAT auf die Hauptrechte und Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag,
insbesondere Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt. § 4 Abs. 2 BAT betrifft demgegenüber sonstige Gegenstände, die entweder Sekundärcharakter oder jedenfalls nicht unmittelbar etwas mit den
Hauptrechten und Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag zu tun haben (BAG Urteil v. 07.Mai 1986 - 4 AZR 556/83, AP Nr. 12 zu § 4 BAT; BAG Urteil v. 25.07.1996 - 6 AZR 179/95, AP Nr.8 zu § 27
BAT).
Die Gewährung des Stromdeputats hat Entgeltcharakter. Nach § 611 Abs. 1 BGB schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung. Dazu gehören alle Leistungen, die ein Arbeitnehmer
als Gegenleistung für seine Arbeit erhält. Neben den laufenden Bezügen kann dies auch z.B. ein Anspruch auf Teilnahme am Personaleinkauf sein (vgl. BAG Urteil v. 13. Dezember 2006 - 10 AZR
792/05, AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 20; BAG Urteil v. 07. September 2004 - 9 AZR 63 1/03, AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 17). Entsprechend eines dem Arbeitnehmer eingeräumten Personalrabattes
erfolgte die Gewährung der Strompreisvergünstigung mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis. Dies wird daraus deutlich, dass die Stadt Frankfurt am Main als Rechtsvorgänger der Beklagten diese
Leistung schließlich auf alle im Eigenbetrieb Stadtwerke beschäftigten Arbeitnehmer sowie die Pensionäre ausgedehnt hat. Die Gewährung des Stromdeputats war damit der Belohnung für gezeigte
Betriebstreue und diente der Bindung des Arbeitnehmers an das Arbeitsverhältnis. Aus diesem Grunde wurde auch u.a. mit dieser Sozialleistung für den Abschluss eines Arbeitsvertrages mit der
Beklagten geworben. Als weiteres Indiz kommt hinzu, dass laut Nachrichtenblatt vom 16. Juni 1970 die Strompreisverg ünstig ung lohnsteuerpflichtig sein soll.
d) Der Anspruch der Arbeitnehmer ist auch nicht dadurch erloschen, dass die Beklagte kein Stromproduzent (mehr) ist. Nach der Rechtsprechung des BAG steht zwar der Sachbezug “Personaleinkauf“
unter dem immanenten Vorbehalt der Aufrechterhaltung der Eigenproduktion des Arbeitgebers (BAG Urteil v. 13. Dezember 2006 - 10 AZR 792/05, AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 20; BAG Urteil v.
07.September 2004 - 9 AZR 631/03, AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 17), jedoch kommen diese Grundsätze hier nicht zum tragen. Durch die Personalüberleitungsverträge aus den Jahren 1995 und 1996 hat
die Beklagte sich verpflichtet diese Leistung weiter zu gewähren, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr Stromproduzent war.
Im Gegensatz zu den oben genannten Entscheidungen konnten die Bezugsberechtigten also gerade nicht von einem immanenten Leistungsvorbehalt ausgehen, sondern durften im Gegenteil darauf vertrauen,
dass die Beklagte die Leistung weiterhin gewähren würde.
e) Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich nicht um eine freiwillige Leistung, die durch den Arbeitgeber jederzeit eingestellt werden kann. Die Bezeichnung als “freiwillige
Sozialleistung“ lässt nicht den Schluss zu, die Zusage stehe unter einem Freiwilligkeitsvorbehalt. Diese Bezeichnung bringt für die Arbeitnehmer nicht unmissverständlich zum Ausdruck, dass sich
der Arbeitgeber eine grundsätzlich freie Lösung von der gegebenen Zusage vorbehält, sondern kann auch so verstanden werden, dass sich der Arbeitgeber “freiwillig“ zur Erbringung der Leistung
verpflichtet, ohne dazu durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz gezwungen zu sein (BAG Urteil v. 28. April 2004 - 10 AZR 481/03, AP Nr. 175 zu § 4 TVG Auschlussfristen; BAG Urteil v.
23. Oktober 2002 - 10 AZR 48/02, AP Nr.243 zu § 611 BGB Gratifikation). Es kommt darauf an, wie der Empfänger einer Erklärung diese verstehen muss (~ 133, 157 BGB). Daher muss der Arbeitgeber es
in seiner Erklärung gegenüber den Arbeitnehmern unmissverständlich deutlich machen, wenn er sich den Widerruf einer zugesagten Sozialleistung vorbehalten bzw. eine vertragliche Bindung von
vornherein verhindern will. Er kann z.B. die Leistung “ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ oder “jederzeit widerruflich“ in Aussicht stellen (BAG Urteil v. 07. August 2002 - 10 AZR 709101 - AP
EntgeltFG § 4a Nr. 2; BAG Urteil v. 23. Oktober 2002 - 10 AZR 48/02 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 243 mwN)
Ein solcher Vorbehalt unterblieb. Allein die Formulierung “freiwillige Sozialleistung“ begründet keinen Freiwilligkeitsvorbehalt, denn darin kommt gerade nicht unmissverständlich zum Ausdruck,
dass sich die Beklagte den Widerruf der zugesagten Sozialleistung vorbehalten bzw. eine vertragliche Bindung von vornherein verhindern wollte. Aus Sicht der Arbeitnehmer war dies vielmehr so zu
verstehen, dass die Beklagte bzw. zum Zeitpunkt der Zusage die Stadt eine Leistung gewähren wollte, zu der sie weder gesetzlich noch tarifvertraglich noch aus anderer Rechtsgrundlage verpflichtet
war. Auch dem sonstigen Inhalt des Magistratsbeschlusses vom 09. März 1970 oder der Veröffentlichung im Nachrichtenblatt am 17. März 1970 lässt sich nicht entnehmen, dass eine rechtliche Bindung
für die Zukunft nicht beabsichtigt war.
Dem steht auch nicht entgegen, dass im öffentlichen Dienst der Grundsatz des Normvollzugs gelte und Arbeitnehmer deshalb davon ausgehen müssten, dass der Arbeitgeber nur Leistungen erbringe zu
denen er rechtlich verpflichtet ist, weshalb mit einer Korrektur der fehlerhaften Rechtsanwendung gerechnet werden müsse (BAG Urteil v. 24. März 1993 - 5 AZR 16/92, AP Nr. 38 zu § 242 BGB
Betriebliche Übung; BAG Urteil v. 29. September 2004 - 5 AZR 528/03, AP Nr. 67 zu § 242 BGB Betriebliche Übung). Unabhängig davon, ob diese Grundsätze auf die zwischenzeitlich privatrechtlich
organisierte Beklagte übertragen werden können, liegen hier über die langjährige Übung hinaus tatsächliche Anhaltspunkte für einen rechtlichen Bindungswillen der Beklagten vor. In der Anlage 1
zur Vereinbarung vom 10.März 1995, die auch im Personalüberleitungsvertrag von 1996 in Bezug genommen wird, ist die Stromvergünstigung als Besitzstand bezeichnet, was daraufhin deutet, dass auch
aus Sicht der Beklagten ein vertraglicher Anspruch entstanden ist. Gemäß § 2 Abs.5 des Personalüberleitungsvertrages von 1995 sollten die bisherigen Regelungen weitergewährt werden und keine über
das bisherige Maß hinausgehenden Rechtsansprüche begründet werden. Dies zeigt, dass die Beklagte selbst vom Bestehen eines Rechtsanspruches ausging und deshalb nicht wegen etwaiger fehlerhafter
Rechtsanwendung die Leistung nunmehr einseitig einstellen kann.
f) Schließlich kann sich die Beklagte nicht auf die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage berufen. Geschäftsgrundlage sind nach der ständigen Rechtsprechung des BAG und des BGH die bei
Abschluss des Vertrags zu Tage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen einer Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien vom
Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien hierauf aufbaut. Rechte wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ergeben sich nur, wenn der
von der Störung betroffenen Partei das unveränderte Festhalten an dem Vertrag nicht zugemutet werden kann (BAG Urteil v. 06. November 2002 - 5 AZR 330/01, AP BGB § 611 Lohnanspruch Nr. 27; BAG
Urteil v. 28. Juni 2000 - 7 AZR 904/98, AP KSchG 1969 § 1 Wiedereinstellung Nr. 6; BGH Urteil v. 05. Januar 1995 - IX ZR 85/94, BGHZ 128, 230,236., jeweils m.w.N.). Eine Befugnis des Arbeitgebers
zum vertraglich nicht vorbehaltenen Widerruf beispielsweise einer Zulage kann nicht auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage der Vergütungsvereinbarung gestützt werden.
Soweit der Wegfall der Geschäftsgrundlage eine Änderung der Arbeitsbedingungen notwendig macht, hat der Arbeitgeber eine Änderungskündigung auszusprechen (BAG Urteil v. 16. Mai 2002 - 2 AZR
292/01, AP KSchG 1969 ~ 2 Nr.69). Zwar mag die Beklagte heute im Vergleich zum Zeitpunkt der Zusage der Leistung 1953 bzw. 1970 in einem Konkurrenzverhältnis zu anderen Verkehrsunternehmen stehen
und gegenüber diesen durch höhere Personalkosten benachteiligt seien, dies rechtfertigt jedoch keinen Widerruf des den Arbeitnehmern zugesagten streitgegenständlichen Stromdeputats. Die Beklagte
hat sich als Arbeitgeber durch die Gesamtzusage vertraglich gegenüber den Arbeitnehmern gebunden und kann sich deshalb ohne Freiwilligkeits- oder Widerrufsvorbehalt allenfalls im Wege der
Änderungskündigung von diesem Vertragsbestandteil lösen. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber bei der Leistungszusage 1970 - bzw. im
Falle der später eingetretenen Arbeitnehmer bei Abschluss des Arbeitsvertrages - davon ausgegangen sind, dass die Strompreisvergünstigung nur gewährt wird, solange die Beklagte sich nicht der
Konkurrenz anderer Verkehrsunternehmen stellen muss. Auch hat die Beklagte keine Tatsachen dazu vorgetragen, dass sie selbst bzw. die Stadt diese Vorstellung hatte und dass dies den Arbeitnehmern
erkennbar gewesen sei.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte als unterlegene Partei zu tragen, § 46 Abs.2 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO. Die teilweise Klagerücknahme in der mündlichen Verhandlung führt nicht
dazu, dass der Kläger die Kosten zu tragen hat (~ 46 Abs.2 ArbGG i.V.m. § 269 Abs.3 Satz 2 ZPO), sondern es verbleibt gemäß § 46 Abs.2 ArbGG i.V.m. § 92 Abs.2 Nr.1 ZPO bei der
Kostentragungspflicht der Beklagten. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass es sich im wesentlichen um Zinsschäden handele.
III. Der Wert des Streitgegenstandes ist auf EUR 1.800,00 festzusetzen. Dies entspricht ausgehend von einem jährlichen Durchschnittswert der streitgegenständlichen Leistung von EUR 600,00 dem
dreifachen Jahresbetrag, § 42 Abs.3 Satz 1 GKG.
IV.Die Berufung war gemäß § 64 Abs.3 Nr.1 ArbGG zuzulassen. Die Frage der Widerruflichkeit des Stromdeputats ist von grundsätzlicher Bedeutung. Dies ist dann der Fall, wenn die Entscheidung des
Rechtsstreits von einer klärungsfähigen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt und diese Klärung wegen ihrer tatsächlichen Bedeutung die Interessen zumindest eines größeren Teils des
Allgemeinheit eng berührt.
Letzteres ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Entscheidung für mehr als 20 gleich oder ähnlich liegende Arbeitsverhältnisse rechtliche Bedeutung hat (BAG Beschluss vom 26.09.2000 - 3 AZN
181/00, AP ArbGG 1979 § 72a Grundsatz Nr. 61 mwN). Die streitgegenständliche Einstellung des Stromdeputats betriffl sowohl alle ca. 2.190 Arbeitnehmer als auch die ca. 1.450
Ruhestandsverhältnisse zu ehemaligen Arbeitnehmern und die Hinterbliebenen dieser Bezugspersonen.